Programm der IG Med

Die Ärzteschaft unter der staatlichen Bürde des Gemeinwohls

Der Berufsstand der Ärzte wurde und wird offensichtlich als derart gesellschaftsrelevant angesehen, dass er dem „Gemeinwohl“ unterstellt sein muss. Dies ist im Heilberufsgesetz verankert. Ärzte durften und müssen in der Selbstverwaltung Kammern bilden, die unter anderem die körperschaftliche Aufgabe haben, den Nutzen der Ärzteschaft für das Gemeinwohl zu überwachen und durchzusetzen. Mit der Unterstellung unter das Gemeinwohl sind für die Ärzte zahlreiche Einschränkungen und Pflichten verbunden, welche allein durch die Zugehörigkeit zum Arztberuf entstehen. Zu nennen sind hier beispielhaft:

  • Einschränkungen, mit gesetzlich und auch privat versicherten Patienten nach dem BGB freie Behandlungsverträge abzuschließen,
  • Verpflichtende Abrechnung nach GOÄ bzw. EBM (im GKV- Bereich),
  • Zwangsmitgliedschaft in Kammern (als „Körperschaft des öffentlichen Rechtes“ (KdöR) unter rechtlicher Aufsicht und Weisungsbefugnis der Regierung) und Unterstellung der Kammeraufsicht mit einer gesonderten Berufsgerichtsbarkeit,
  • Bei Teilnahme an der GKV- Versorgung Zwangsmitgliedschaft in einer Kassenärztlichen Vereinigung (KV) (als „Körperschaft des öffentlichenRechtes“ (KdöR) unter Aufsicht und Weisungsbefugnis der Regierung), hierbei Unterstellung unter die Sozialgesetzgebung und Verpflichtung der Umsetzung aller gesetzlicher Vorgaben (auch wenn diese zu Beginn der Tätigkeit als „Vertragsarzt“ nicht absehbar waren und zwar unabhängig von einer Refinanzierung)
  • Streikverbot bei Teilnahme an der Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung,
  • Verpflichtung, sämtliche ärztliche Tätigkeiten immer auf der Basis des aktuellen Standes der Wissenschaft durchzuführen. Es gilt eine gesetzlich festgeschriebene Fortbildungspflicht unter Androhung von empfindlichen Strafen bis hin zum Zulassungsentzug.
  • Zwangsverpflichtung zu Not- und Bereitschaftsdiensten sowie
  • Zahlreiche weitere Einschränkungen und Verpflichtungen laut Heilberufsgesetz, Berufsordnung und SGB V.

Diese den Ärzten unter der Maxime des Gemeinwohls auferlegten Einschränkungen der Bürgerrechte und zusätzlichen Pflichten entsprechen gemäß §14 des Grundgesetzes (GG) einer Enteignung, welcher nach §14 GG zwingend eine Entschädigung gegenüberstehen muss. Eine solche Entschädigung wurde jedoch bislang von den ärztlichen Standesorganisationen weder eingefordert, noch hat der Gesetzgeber diese in irgendeiner Form von sich aus eingeräumt. Vielmehr wurde in den letzten Jahren auch in Gerichtsurteilen das höhere Gut des Gemeinwohls immer wieder dazu instrumentalisiert, den Ärzten immer mehr Rechte abzusprechen, die Honorare zu drücken und die Rahmenbedingungen für selbständige ärztliche Tätigkeit zu verschärfen.

Während zu früheren Zeiten die Honorare der (Zahn-) Ärzteschaft ausreichten, um einen für den Berufsstand angemessenen Lebensstil und eine adäquate Altersvorsorge aufbauen zu können, wurden nachfolgend den freiberuflichen Ärzten immer mehr Verpflichtungen auferlegt bei steigenden Kosten und rückläufigen Honoraren ohne Inflationsausgleich. Von einer „angemessenen“ Honorierung (sog. Ehrensold) ärztlicher Tätigkeit kann nicht mehr die Rede sein. Ein untrügliches Indiz dafür ist die Tatsache, dass es kaum noch Ärzte gibt, die bereit sind, sich unter diesen Bedingungen niederzulassen, so dass angesichts der Honorarentwicklung und der fehlenden Planungssicherheit ein Ärztemangel in nahezu allen Bereichen droht oder bereits spürbar ist.

Die gesetzliche Unterstellung der Ärzteschaft unter das „Gemeinwohl“ führt somit zu einer besonderen Fürsorgepflicht seitens des Staates.
Der Staat hat dabei den Ärzten als Bürgern gegenüber die Verpflichtung, deren Freiheitsrechte zu wahren und den Ermessensspielraum nicht zunehmend rechtswidrig auszuweiten.

„Unter dem Gemeinwohl stehend“ darf für die Ärzteschaft nicht länger bedeuten, sich immer weiter am ethischen Nasenring durch die Arena ziehen zu lassen, sondern dass der Staat den Ärzten für die mit der Enteignung von deren Bürgerrechten verbundenen Einschränkungen gemäß Grundgesetz eine Entschädigung schuldet.

Wir sehen daher die Notwendigkeit, abseits der Körperschaften eine Interessensvertretung der Ärzte, Zahnärzte und weiterer betroffener heilberuflich tätigen Berufsgruppen zu gründen. Diese Interessensvertretung fordert die Fürsorgepflicht des Staates gegenüber den Ärzten ein. Sie wird alles dafür tun, die Freiheitsrechte der Ärzteschaft soweit irgend möglich wieder herzustellen. Sie wird dort Entschädigung für Beschneidung der Bürgerrechte einfordern, wo die Unterstellung der Ärzte unter das Gemeinwohl für unsere Berufsausübung im Sinne der Patienten unerlässlich ist.

Hierfür werden wir den bislang ungeschriebenen Vertrag zwischen Ärzten und Gesellschaft, bzw. deren politischer Repräsentanz in Staat und Regierung definieren und seine zukünftige Einhaltung in Hinsicht auf finanzielle Ausstattung und die Rahmenbedingungen unserer Arbeit einfordern. Nur so können auch für nachkommende Ärztegenerationen eine angemessene Honorierung und eine verbindliche Planungssicherheit entstehen.

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