IG Med warnt Telemedizin wird zunehmend zum Geschäftsmodell
Die Interessengemeinschaft Medizin (IG Med e.V.) schlägt Alarm: Die telemedizinische Versorgung droht, in weiten Teilen zu einem renditegetriebenen Geschäftsmodell von Großkonzernen zu verkommen. Besonders kritisch sieht der Verband dabei die Rolle einiger kassenärztlicher Vereinigungen (KVen), die diesen Strukturen indirekt Vorschub leisten könnten.
„Prominentestes Beispiel ist derzeit der leichtfertige Umgang mit medizinischen Cannabisverordnungen“, erklärt Dr. Ilka Enger, Vorsitzende der IG Med e.V. „Plattformen werben gezielt damit, dass man sich über einen einfachen Fragebogen ein Privatrezept für Cannabisblüten verschaffen kann – als vermeintlicher Schmerzpatient. Auf TikTok und Instagram wird das sogar als ‘geiles Zeug’ angepriesen.“
Doch die Kritik der IG Med geht weit über Einzelfälle hinaus. Auch in der Regelversorgung zeichnet sich eine problematische Entwicklung ab. Neue Telemedizinanbieter werben mit unkomplizierten Videosprechstunden, bei denen im Anschluss unmittelbar elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (eAUs) und Rezepte ausgestellt werden – oft ohne einen echten Arzt-Patienten-Kontakt im klassischen Sinne. „In der Praxis sieht das so aus, dass ein Patient mehrfach im Quartal eine telemedizinische Konsultation wahrnimmt, dabei aber immer bei einem anderen Arzt landet“, so Steffen Grüner von der IG Med. „Die Folge: Für jeden dieser Kontakte wird die volle Quartalspauschale fällig – ein Modell, das bei niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten so nicht möglich ist.“
Die IG Med warnt
Die IG Med warnt: Dieses Vorgehen könnte nicht nur die finanzielle Grundlage der vertragsärztlichen Versorgung gefährden, sondern vor allem die Kontinuität und Qualität der Betreuung – insbesondere für chronisch kranke und komplex zu versorgende Patienten. „Diese Patientengruppe ist für solche Anbieter häufig zu aufwendig und damit wirtschaftlich uninteressant“, so Enger.
Hinzu kommt die enge Verzahnung vieler Telemedizinanbieter mit Versandapotheken. Unternehmen wie Teleclinic gehören zum selben Konzern wie DocMorris, und auch Anbieter wie Zava sind mit großen Versandapotheken verbunden. „Solche Verflechtungen wären für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte berufsrechtlich nicht zulässig“, betont die IG Med.
Umso unverständlicher ist es aus Sicht des Verbands, dass KVen – etwa in Niedersachsen – derartige Anbieter sogar in die Notfallversorgung einbinden. Die IG Med hat sich daher an die kassenärztlichen Vereinigungen gewandt und um Stellungnahme gebeten.
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