Einfach mal nichts tun: wie man die gefährliche Gier nach Gesundheitsdaten bekämpft

Daten sind das Gold der Zukunft und gerade im Gesundheitswesen ist der Datenhunger der sog. Gesundheitswirtschaft und der IT-Lobby besonders groß. Das ist für Patienten und Ärzte gleichermaßen gefährlich, ist sich die in Gründung befindliche Interessengemeinschaft Medizin (IG Med) sicher.

Es sollte das „größte gesundheitsbezogene IT-Projekt der Welt werden. Aus dem angekündigten „Blockbuster“ ist inzwischen ein müder Ladenhüter geworden, den weder gute Worte noch die massiven Zwangsmaßnahmen des ehemaligen Gesundheitsministers Gröhe auf die Erfolgsspur setzen konnte.

„Jeder einigermaßen vernünftige Marketingchef eines Unternehmens hätte dieses Projekt längst beerdigt, nicht so die deutsche Bundesregierung, die mit Zähnen und Krallen an diesem teuren Rohrkrepierer festhält,“ erläutert Bernhard Salomon, Sprecher der Arbeitsgruppe Telematikinfrastruktur in dem zukünftigen Interessensverband für Ärzte. „Unseres Erachtens stecken hinter dieser Klammerhaltung weniger die Interessen der Bürger und Wähler, die mit ihren Krankenkassenbeiträgen zwangsweise über 2 Mrd. Euro in das Himmelfahrtskommando gesteckt haben, sondern die knallharte Lobby der IT-Industrie, wie zum Beispiel der Arvato GmbH, einer Bertelsmanntochter, die die digitale Vernetzungsstruktur im Gesundheitswesen baut und betreibt.“

Bisher, so die IG Med, ist dieses Projekt eine Aneinanderreihung von teuren Pleiten, Pech und Pannen. Bisher gibt es keine Risiko- und Folgenabschätzungen, keine Kosten-Nutzen-Analyse, selbst um die Ergebnisse des abgespeckten Testlaufs in Nordwest-Deutschland wird eine Mauer des Schweigens gezogen – nichts dringt nach außen.

„Nun treibt man also die Praxen der Niedergelassenen und die Krankenhäuser an, sich möglichst rasch an die elektronische Leine legen zu lassen,“ kommentiert Ilka Enger, Mitorganisatorin der IG Med. „Bereits nach wenigen Wochen mit gerade mal 10% angeschlossener Praxen in Deutschland kam es zu einem Ausfall der Telematik-Infrastruktur – die Router konnten den sicheren Zugriff nicht gewährleisten und schotteten sich vom Netz ab.“

Die Organisatoren der IG Med sehen in der mit ungesundem Imperativ vorangetriebenen Zwangsvernetzung fast schon ein süchtiges Verhalten der politischen Entscheider, die sich nicht mehr aus der eingeschlagenen Richtung verabschieden können und vermutlich auch nicht wollen.

„Man könnte fast ein Komplott vermuten, bei dem der „IT-süchtige“ Politiker nicht mehr aus den Fängen des „Telematik-Dealers entkommen kann,“ schildert Salomon. „Auf jeden Fall verdienen ein paar wenige IT-Monopolisten an diesem „Big Deal“ zu Lasten Dritter – der Patienten und der Ärzte“

Derzeit seien die gesundheitlichen Geheimnisse der Patienten noch sicher in einer dezentralen Struktur der Praxen, wo die Ärzte Garanten sind für die professionelle Erhebung und Dokumentation der Daten.

„In Zukunft aber müssen die Patienten damit rechnen, dass sie ihre Daten auf zentralen Servern im Netz wiederfinden, die dann natürlich auch Begehrlichkeiten anderer Anwender wecken – nicht immer zum Wohl des „Datenspenders“, erklärt Enger. „Und unsere Kollegen werden dabei auch noch von der neuen europäischen Datenschutzgrundverordnung in die Haftungszange genommen. Das ist unzumutbar.“

Was kann man nun tun, um dieses Dilemma noch zu verhindern?

„Nie war es einfacher für uns Ärzte, diesen IT-Super-Gau noch zu verhindern,“ sagt Salomon. „Die IG Med rät einfach zum Nichtstun: Keine Blackbox-Konnektoren oder neuen Kartenlesegeräte ordern und einfach nicht anbinden lassen. Dieser IT-Schrott gehört auf dem Müllhaufen der Geschichte entsorgt.“

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